ABBA: Verdammt und verehrt

Sogar ABBA kann Geister scheiden. Erfolg ist es jedoch, wenn die Geister am Ende einer Sitzung wieder zusammenfinden.

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Debatte über ABBA
g.l. M.Amanshauser, g.r. T. Königshofer, i.d.M. C. Sec

Der Autor Martin Amanshauser erzählt davon, wie die schwedische Popgruppe ABBA sein Beziehungsleben schon in frühester Jugend determinierte und warum er der Band heute noch die Schuld für eine Rechnung in der Höhe von 286 Euro gibt. Aber wir lernen auch, warum ABBA heute über eine Unzahl von Glühbirnen besitzt und warum die Band in ihrer besten Zeit so einzigartig war, obwohl Alice Schwarzer keine Freude haben würde mit so manchen Textzeilen. Schlussendlich erleben wir, wie die Diskussion mit Thomas Königshofer, Amanshauser dazu bringt, ein wenig von seinem Hass gegenüber der Band zu verlieren.

Unbedeutende Nachbetrachtung

ABBA, das ist auch eine Wiederauferstehungsgeschichte oder eine Wiederentdeckungsgeschichte, oder ein Beispiel für Geschmacksmanipulation. Amanshauser erzählt über eine Zeit, in der ABBA einfach uncool waren. Egal ob man damals das Köln Concert von Keith Jarrett oder The Dark Side of The Moon unter den Achseln trug, wenn man zu einer Party geladen war, alles war gut. Wer sich jedoch in den 80ern traute mit ABBA heranzurücken, der setzte seine soziale Existenz aufs Spiel. ABBA-Platten auf Partys waren tabu, zumindest in meiner Erinnerung. Das soll nicht heißen, dass die Partys auf denen ich war besser waren, als die von Amanshauser, der ja um drei Uhr morgens die Partys verlassen musste, weil dann ABBA gespielt wurde. Auch meine eigenen ersten Erinnerungen mit ABBA waren von traumatischer Natur. Eislaufen als Kind beim Engelmann. Ich war schlecht in diesem Sport und blieb es auch. Trotz aller kindlichen Lernwilligkeit war der Lernerfolg am Eis aufs gradaus vorwärtsfahren beschränkt. Und bei dieser desillusionierenden Erfahrung persönlicher Begrenztheit dröhnte in meiner Erinnerung fast durchgehend ABBA abwechselnd mit Boney M. aus den Boxen der Eislauflautsprecher. Für mich waren ABBA danach in den nächsten fast 30 Jahren eine Randerscheinung, die nur gelegentlich im Radio spielte und bei Autofahrten meine Zeit für „bessere“ Musik vergeudete. Die Renaissance begann bei mir erst lange nach dem Musical und zwar als ABBA von Hollywood entdeckt wurde. Mittlerweile Vater geworden war ich durch sie in die Falle getappt. Die Begeisterung der Kinder schlug auf mich über. Plötzlich erkannte ich die Qualität der Musik, die Raffinesse der Songs. Ich war nicht der einzige. Der Late-Adopter ist ein ABBA-Phänomen. Was spätestens nach dem Film kam, war eine Phase des weltweiten Triumphs, der bis heute anhält. ABBA wurden plötzlich als Genies abgefeiert und jeder, der was auf sich hielt war gezwungen dazu, ABBA zu mögen, sonst lief er Gefahr als Banause zu enden. Die jungen DJs stahlen die ABBA-Platten aus den Schränken ihrer spießigen Eltern, um die Partys in Schwung zu bringen. Eine objektive Bewertung der Musik fördert dieses radikale Schwenken von einem Extrem zum anderen nicht gerade und wird daher wohl noch weitere 20 Jahre auf sich warten lassen. Erst wenn ABBA industriell in ruhigere Gewässer kommt, können wir vorurteilsfrei darüber palavern. Das kann jedoch noch lange dauern. Denn wenn einmal diese Welle verebbt, könnte die sich zum Ende hinneigende Lebenszeit für neue Wellen der Manie sorgen. Verebbt die Welle jedoch in den nächsten sagen wir 100 Jahren noch immer nicht, sollte man sich ganz vorurteilsfrei fragen, ob es sich wirklich um Jahrhundertmusik handelt.

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